Fühlst du dich als Lehrer*in oft am Limit? Hast du das Gefühl, du kämpfst täglich gegen Windmühlen, weil das Schulsystem dich und deine Schüler*innen im Stich lässt? Vielleicht spürst du Wut und Ohnmacht zugleich, weil sich kaum etwas ändert. Du bist nicht allein! Viele Lehrer*innen, die ich begleite, erleben genau diese Frustration und Zweifel, durch die die Motivation schwindet und die Freude am Beruf verloren geht. Luisa Neubauer hat mich zu diesem Artikel inspiriert, indem sie betont, dass Resilienz nicht nur unsere Fähigkeit umfasst, mit Herausforderungen umzugehen, sondern auch die Strukturen, in denen wir leben. Stress ist kein individuelles Problem, und wir sollten uns nicht einreden lassen, dass wir zu klein sind, um etwas zu bewegen. Indem wir uns engagieren und aktiv für Veränderungen im Bildungssystem eintreten, können wir nicht nur unsere eigene Resilienz stärken, sondern auch einen Beitrag zu einer besseren Schulrealität leisten.
Die Macht der Resilienz
Was bedeutet Resilienz wirklich? Resilienz wird oft als die Fähigkeit beschrieben, nach Krisen oder stressigen Ereignissen in den ursprünglichen Zustand zurückzukehren. Doch dieser klassische Resilienzbegriff greift in vielen Situationen zu kurz. In der heutigen komplexen Arbeitswelt – und besonders im Schulalltag – geht Resilienz weit über das bloße „Durchhalten“ hinaus. Der Begriff, von dem wir hier ausgehen, beschreibt nicht nur die Widerstandsfähigkeit gegenüber Stress, sondern die Fähigkeit, sich an schwierige Umstände anzupassen, daraus zu lernen und sogar daran zu wachsen.
Resilienz bedeutet, dass wir uns inmitten von Herausforderungen weiterentwickeln können, indem wir nicht nur auf äußere Veränderungen reagieren, sondern sie aktiv mitgestalten. So entsteht innere Stärke, die es uns ermöglicht, sowohl den täglichen Schulanforderungen als auch den strukturellen Defiziten des Bildungssystems mit einem klaren Kopf und einem gestärkten Selbstbewusstsein zu begegnen.
Resilienz und Veränderung: Die Frage nach dem „Warum“
Die zentrale Frage lautet: Muss ich mich ändern, oder muss sich das System ändern? Die ehrliche Antwort ist: Beides. Es ist notwendig, dass wir als Lehrer*innen unsere eigene Resilienz entwickeln, um mit den Herausforderungen des Bildungssystems umgehen zu können. Doch diese individuelle Stärkung reicht nicht aus, wenn wir die strukturellen Defizite nicht ansprechen und aktiv an einer Verbesserung arbeiten.
Resilienz bedeutet nicht Anpassung um jeden Preis. Es ist vielmehr die Erkenntnis, dass wahre Stärke darin liegt, Veränderungen zu fordern und zu gestalten. Wenn wir uns engagieren – sei es in der Schule, in der Gewerkschaft oder in bildungspolitischen Netzwerken –, können wir nicht nur die Bedingungen für uns selbst verbessern, sondern für alle Beteiligten. Engagement ist kein zusätzlicher Stressfaktor, sondern eine Quelle der Stärkung, die uns langfristig resilienter macht. Denn es ist ein großer Unterschied, ob man die eigenen Werte lebt oder gegen sie arbeitet.
Warum Engagement Resilienz stärkt
Resilienz bedeutet, Verantwortung zu übernehmen – nicht nur für uns selbst, sondern für die Gemeinschaft, in der wir leben und arbeiten. Dies ist ein wichtiger Unterschied zur oft individualisierten Vorstellung von Resilienz, die lediglich auf Selbstoptimierung abzielt. Wahre Resilienz ist kollektiv. Sie entfaltet sich, wenn wir uns mit anderen zusammenschließen und gemeinsam für Verbesserungen kämpfen.
Indem wir uns engagieren, treten wir aus der passiven Rolle des „Erleidens“ heraus und werden zu Akteur*innen. Es geht darum, Gestaltungsspielräume zu erkennen und zu nutzen – auch wenn sie zunächst klein erscheinen. Ein Beispiel aus meiner eigenen Erfahrung: An meiner Schule habe ich begonnen, das Gespräch mit der Schulleitung zu suchen, um nach Möglichkeiten für Veränderungen zu fragen. Diese Gespräche haben nicht immer sofort Früchte getragen, aber allein der Versuch, etwas zu bewegen, hat meine Perspektive und meine Energie verändert.
Praktische Schritte, um Resilienz und Engagement zu verbinden
Wenn du dich fragst, wie du Resilienz aufbauen und gleichzeitig etwas verändern kannst, helfen dir die folgenden Schritte:
- Mache eine ehrliche Bestandsaufnahme
Reflektiere deine eigenen Werte als Lehrer*in. Was treibt dich an? Was ist dir wichtig? Setze dich mit den Grundwerten auseinander, die deinen Beruf ausmachen – sei es Gerechtigkeit, Chancengleichheit oder die Förderung individueller Talente. Überlege, in welchen Bereichen du bereits im Kleinen nach diesen Werten lebst und wie du sie stärker in deinem Alltag einbringen kannst. Diese Klarheit gibt dir den inneren Anker, um resilient zu bleiben.
- Definiere dein Engagement
Stell dir die Frage: Welche Art von Veränderung möchtest du sehen? Geht es dir um eine bessere Ausstattung, mehr Mitspracherecht oder um größere Themen wie Bildungsungerechtigkeiten oder pädagogische Reformen? Finde heraus, wo deine Energie und Leidenschaft liegen. Indem du dein Engagement auf ein klar definiertes Ziel richtest, vermeidest du das Gefühl der Ohnmacht und Zersplitterung, das oft entsteht, wenn man sich von der Komplexität des Systems überwältigt fühlt.
- Setze dir konkrete, erreichbare Ziele
Auch kleine Schritte zählen. Es müssen nicht sofort große Initiativen sein, die das gesamte Schulsystem reformieren. Fange mit überschaubaren, aber wirkungsvollen Maßnahmen an. Vielleicht ist es das regelmäßige Gespräch mit Kolleg*innen über Veränderungsmöglichkeiten, das Einbringen neuer Unterrichtsmethoden oder der Beitritt zu einer Gewerkschaft. Setze dir Ziele, die messbar sind, damit du deinen Fortschritt klar sehen und feiern kannst.
- Vergrößere dein Netzwerk
Veränderung geschieht selten allein. Suche dir Menschen, die ähnliche Ziele und Visionen haben. Das können Kolleg*innen, Bildungsinitiativen oder Gewerkschaften sein. Resilienz ist gemeinschaftlich. Sie wächst dort, wo Menschen zusammenkommen und sich gegenseitig unterstützen. Luisa Neubauer spricht von „gemeinschaftlich gelebter Resilienz“: Wenn wir uns zusammenschließen, um für gemeinsame Ziele zu kämpfen, entsteht eine besondere Kraft, die über die individuelle Resilienz hinausgeht.
- Lerne aus Rückschlägen
Es ist normal, dass Veränderung nicht immer linear verläuft. Rückschläge sind Teil des Prozesses und bieten wertvolle Lernerfahrungen. Sie zeigen auf, wo Anpassungen notwendig sind und welche Strategien vielleicht nicht funktionieren. Betrachte Rückschläge nicht als Scheitern, sondern als Gelegenheit, deine Methoden zu überdenken und zu verbessern. Denn mit jedem Rückschlag gewinnst du neue Einsichten und wirst stärker.
Solidarität als gemeinschaftlich gelebte Resilienz
Resilienz und Engagement verstärken sich gegenseitig, wenn sie auf Solidarität basieren. Diese gemeinschaftliche Resilienz entsteht, wenn Menschen sich zusammentun und gemeinsam für Veränderungen kämpfen. Durch Solidarität und kollektives Handeln wirst du nicht nur deine persönliche Resilienz stärken, sondern auch dazu beitragen, das Bildungssystem zu verbessern.
Eine Übung für mehr Klarheit und Motivation
Probiere diese Übung, um dir deiner Handlungsfähigkeit bewusster zu werden:
1. Schreibe eine Liste der Dinge, die dich in deinem Beruf frustrieren.
2. Markiere die Punkte, auf die du aktiv Einfluss nehmen kannst.
3. Wähle einen Punkt aus und überlege, was dein erster Schritt sein könnte, um hier etwas zu verändern.
4. Finde heraus, wer dich dabei unterstützen kann.
5. Setze dir ein Zeitfenster, um diesen Schritt umzusetzen.
Fazit: Resilienz als aktiver Gestaltungsprozess
Am Ende bleibt die Frage: „Muss ich mich ändern, oder muss sich das Bildungssystem ändern?“ Die Antwort lautet: beides. Unsere persönliche Resilienz hilft uns, im Schulalltag zu bestehen, aber sie gewinnt an Stärke, wenn wir sie nutzen, um das System zu verbessern. Je mehr wir unsere individuellen Stärken ausbauen und uns mit anderen verbünden, desto eher können wir das Bildungssystem aktiv mitgestalten.
Resilienz ist keine Einbahnstraße. Sie lebt von deinem Engagement und deiner Solidarität mit anderen. Gemeinsam können wir das Schulsystem Stück für Stück verändern.
Wenn du dich engagieren möchtest, dich aber nicht traust, nicht weißt, wo du anfangen kannst oder dir etwas anderes im Weg steht kontaktiere mich gerne. Ich unterstütze dich in Einzelsitzungen auf diesem Weg.