Psychische Belastungen im Lehrer*innenberuf: Wie du jetzt anfangen kannst, sie im Sinne von Viktor Frankl zu bewältigen

von | Sep 29, 2024

Spürst du als Lehrer*in eine starke psychische Belastung? Fühlst du dich oft überfordert von den täglichen Anforderungen, dem Zeitdruck, den schwierigen Schüler*innen oder den immer größer werdenden Erwartungen? Diese Herausforderungen sind krass und betreffen eine Vielzahl von Lehrer*innen, aber vielleicht gibt es einen Ansatz, der dir helfen kann, diese Belastungen anders zu betrachten und mit ihnen umzugehen. Hier eine Frage, die dich vielleicht überrascht: Wann hast du dich zuletzt wirklich mit der Verantwortung für dein eigenes Leben und dem, was dich tief im Inneren erfüllt, auseinandergesetzt? Und ich meine das ernsthaft – nicht nur oberflächlich, sondern in der Tiefe.

In meinen Sitzungen erlebe ich immer wieder, dass viele Lehrer*innen diese essentielle Sinnfrage noch nie wirklich für sich selbst gestellt haben. Der Sinn des Lehrer*innenberufs scheint auf den ersten Blick einfach super selbstverständlich: Du hilfst Schüler*innen dabei, sich zu entwickeln, begleitest sie in ihrem Lernprozess und bereitest sie auf die Zukunft vor. Was könnte sinnerfüllender sein? Doch wenn wir tiefer gehen, stellen wir oft fest, dass dieser Sinn – so klar er auch erscheinen mag – nur die äußere Schicht dessen ist, was wirklich zählt.

Es geht nicht nur darum, Lehrer*in zu sein, sondern um die EINE Sache, die dich in deinem Beruf und deinem Leben wirklich antreibt. Was ist der Kern deines persönlichen Sinns? Diese Frage ist entscheidend, um die psychischen Belastungen, denen du als Lehrer*in ausgesetzt bist, nicht nur zu bewältigen, sondern zu transformieren. Wenn du diesen tieferen Sinn für dich erkennst, wirst du nicht nur in der Lage sein, den Stress zu ertragen, sondern auch in deinem Beruf resilient und sinnerfüllt zu agieren.

Die psychischen Belastungen im Lehrer*innenberuf verstehen

Es ist unbestreitbar, dass der Lehrer*innenberuf mit enormen Anforderungen einhergeht. Der Druck von außen nimmt ständig zu: zu viele Aufgaben in zu wenig Zeit, komplexe Herausforderungen im Umgang mit Schüler*innen, zu große Klassen, und nicht zuletzt die Erwartungen und Auseinandersetzungen mit den Eltern. Diese Faktoren summieren sich und führen häufig zu einer tiefen psychischen Belastung. Kein Wunder, dass viele Lehrer*innen sich nur irgenwie von Ferien zu Ferien hangeln.

Doch gerade in diesen umfangreichen Herausforderungen kann die Sinnfrage, wie sie Viktor Frankl stellt, hilfreich sein. Frankl, ein renommierter Psychiater und Holocaust-Überlebender, hat uns gezeigt, dass Menschen selbst unter extremen Bedingungen in der Lage sind, einen tiefen Sinn zu finden. Er schrieb:

„Der Mensch ist nicht frei von Bedingungen, aber er ist frei, Stellung zu ihnen zu nehmen.“
Viktor Frankl, „…trotzdem Ja zum Leben sagen: Ein Psychologe erlebt das Konzentrationslager“

Frankl zeigt auf, dass wir in jeder Situation die Freiheit haben, unsere Einstellung zu den Bedingungen, denen wir ausgesetzt sind, zu wählen. Für Lehrer*innen bedeutet das: Auch wenn die Herausforderungen deines Berufs allgegenwärtig sind und sich oft unveränderbar anfühlen, kannst du wählen, wie du mit ihnen umgehst. Indem du dich auf den Sinn konzentrierst, der dich in deinem Beruf und in deinem Leben antreibt, kannst du die psychischen Belastungen auf eine neue Weise betrachten und bewältigen.

Warum die Sinnfrage für Lehrer*innen entscheidend ist

Wenn du nur die äußere Bedeutung deines Berufs siehst – also die Rolle, die du für deine Schüler*innen, Kolleg*innen und die Gesellschaft spielst – wird es dir schwerfallen, in besonders herausfordernden Zeiten die Motivation aufrechtzuerhalten. Diese äußeren Faktoren können dich in gewisser Weise stützen, aber sie bieten nicht genug Tiefe, um dich durch die schwersten Belastungen hindurchzutragen.

Der tiefe, persönliche Sinn, der dich antreibt, geht weit über den bloßen Beruf hinaus. Es geht darum, was dieser Beruf für dich persönlich bedeutet. Vielleicht hast du den Lehrer*innenberuf gewählt, weil du das Gefühl hast, dass Bildung der Schlüssel zur Veränderung der Welt ist. Oder weil du eine Leidenschaft dafür hast, junge Menschen zu inspirieren und ihnen zu helfen, ihre Talente zu entdecken. Vielleicht ist es deine tiefe Überzeugung, dass jedes Kind eine gleiche Chance im Leben haben sollte.

Diese Art von Sinn gibt dir eine tiefe innere Stärke, die dich auch durch die schwierigsten Zeiten tragen kann. Wenn du eine klare Vorstellung davon hast, warum du diesen Beruf ausübst und was er dir persönlich bedeutet, wird es dir leichter fallen, mit den psychischen Belastungen umzugehen. Die Herausforderungen sind nicht mehr bloße Hindernisse, sondern Teile eines größeren, sinnvollen Ganzen.

Der Umgang mit psychischen Belastungen im Sinne Viktor Frankls

Frankls Ansatz fordert uns auf, Verantwortung für unser Leben und unsere Entscheidungen zu übernehmen. Für Lehrer*innen bedeutet das nicht nur, sich mit den Herausforderungen des Berufs zu arrangieren, sondern aktiv nach einem tieferen Sinn zu suchen und diesen bewusst in den Alltag zu integrieren.

Hier einige Ansätze, wie du die Sinnsuche in deinen Alltag als Lehrer*in einfließen lassen kannst:

  1. Den tieferen Sinn im Lehrer*innenberuf finden
    Viele Lehrer*innen akzeptieren die psychischen Belastungen als unvermeidbar, ohne sich die Zeit zu nehmen, sich klar zu machen, was sie wirklich antreibt. Nimm dir bewusst Momente, in denen du dir die Frage stellst: Warum übe ich diesen Beruf aus? Welche Momente im Unterricht geben mir das Gefühl, dass meine Arbeit wirklich wichtig ist? Was ist das Eine, das mich motiviert, selbst in schwierigen Zeiten weiterzumachen?
    Für manche ist es die Freude eines Kinde, das eine schwierige Aufgabe gelöst hat, für andere der Moment, in dem einem Kind zum ersten Mal die eigenen Potentiale gespiegelt werden. Identifiziere diese Schlüsselmomente, die dir zeigen, dass deine Arbeit nicht umsonst ist – diese Momente sind der Kern deines tieferen Sinns.
  2. Sinn als Quelle der Stärke
    Der tiefere Sinn deiner Arbeit kann dir als innerer Kompass dienen, um den Druck und die Herausforderungen des Berufs zu bewältigen. Wenn du weißt, was dir wirklich wichtig ist, kannst du die stressigen und belastenden Aspekte deines Berufs in einem anderen Licht sehen. Sie erscheinen nicht mehr nur als Hindernisse, sondern als Teil einer bedeutungsvollen Aufgabe.
    Indem du den Sinn in den Vordergrund stellst, wirst du resilienter gegenüber den alltäglichen Herausforderungen. Du entwickelst eine innere Widerstandskraft, die dir hilft, auch unter hohem Druck ausgeglichen und stabil zu bleiben.
  3. Frankls Philosophie in den Alltag integrieren
    Viktor Frankl hat gelehrt, dass wir nicht immer die äußeren Umstände verändern können, aber sehr wohl unsere Einstellung dazu. Lehrer*innen haben oft wenig direkten Einfluss auf viele der stressigen Aspekte ihres Berufs – sei es der Umgang mit schwierigen Schüler*innen, die Anforderungen des Lehrplans oder der Druck von Eltern und Verwaltung.
    Aber du hast die Freiheit, deine eigene Haltung gegenüber diesen Herausforderungen zu gestalten. Du kannst entscheiden, ob du die Schwierigkeiten als unüberwindbare Hürden ansiehst oder ob du sie als Chancen wahrnimmst, zu wachsen und dich weiterzuentwickeln. Diese innere Freiheit, die Frankl beschreibt, ist ein mächtiges Werkzeug gegen psychische Belastungen im Lehrer*innenberuf.
  4. Ein klarer Sinn gibt Orientierung
    Ein tieferer Sinn hilft dir nicht nur, mit Stress umzugehen, sondern auch, wenn du vor schwierigen Entscheidungen stehst oder dich von den Belastungen überwältigt fühlst. Wenn du eine klare Vorstellung davon hast, was deine Arbeit für dich bedeutungsvoll macht, kannst du Prioritäten setzen und dich auch in stressigen Zeiten daran erinnern, warum du diesen Weg gewählt hast.
    Diese Orientierung hilft dir, fokussiert zu bleiben und dich nicht in den kleinen, oft unnötigen Ärgernissen des Berufs zu verlieren. Du behältst das größere Bild im Auge und kannst so besser mit den alltäglichen Belastungen umgehen, aber auch besser langfristig planen.

Praktische Übungen, um deinen tieferen Sinn zu finden

Es gibt viele Möglichkeiten, wie du aktiv an der Sinnsuche arbeiten kannst. Eine effektive Methode ist die sogenannte „Stuhlübung“. Dabei stellst du dir vor, dass du deinem zukünftigen Ich gegenüber sitzt – jemandem, der in 10, 20 oder 30 Jahren auf dein Leben als Lehrer*in zurückblickt. Was würde dieses Ich dir über den Sinn deiner Arbeit sagen? Welche Momente waren wirklich wichtig? Welche Entscheidungen haben den größten Unterschied gemacht?
Führe einen inneren Dialog mit deinem zukünftigen Selbst, wechsle dabei immer wieder den Platz, und höre genau hin, was du aus dieser Perspektive zu sagen hast. Diese Übung kann dir helfen, Klarheit über deinen tieferen Sinn zu gewinnen und dir dabei helfen, die täglichen Belastungen in einem neuen Licht zu sehen.

Ein weiteres hilfreiches Werkzeug ist das Führen eines Tagebuchs, in dem du regelmäßig notierst, welche Momente dir in deinem Berufsalltag besonders viel Freude und Erfüllung geben. Indem du diesen Prozess der Reflexion

Dieser Prozess erfordert Zeit und Geduld. Du wirst das Gefühl für den Sinn vielleicht immer mal wieder verlieren, aber mit der Zeit auch ein immer klareres Bild bekommen.

Wenn du Unterstützung auf diesem Weg brauchst oder tiefer in diese Fragen eintauchen möchtest, stehe ich dir gerne zur Seite. Ich unterstütze dich dabei, deinen Lehrer*innenberuf mit Klarheit und Sinn zu gestalten – trotz aller Belastungen.