
Du bist Lehrer*in und fühlst psychische Belastung? Ich will heute über ein Thema schreiben, das ich wirklich gerne mag. Es geht um Wut, die oft eine zentrale Rolle bei psychischen Belastungen spielt. Warum ich darüber schreibe? Ich erlebe in meinen Sitzungen oft, dass Lehrer*innen viel davon mit sich rumtragen, aber der Wut einfach keinen Raum geben. Sie hören nicht richtig hin, lassen die Emotion nicht raus. Aber das Problem ist: Wenn du das nicht machst, kommt die Wut irgendwie anders zum Vorschein. Und das tut meistens weh – nicht nur emotional, sondern auch körperlich.
Inhaltsverzeichnis
Wut: Ein unterschätzter Stressfaktor
Warum es mir am Herzen liegt? Wenn ich die Zeitung aufschlage und wieder über die Mängel im Schulsystem lese, werde ich furchtbar wütend. Wenn mir Freund*innen von den “Normalitäten” ihres Lehrer*innenalltags erzählen, macht mich das auch furchtbar wütend. Als Lehrerin haben mich manche Kolleg*innen wütend gemacht, die respektlos mit Schüler*innen umgegangen sind. Und in meiner Arbeit mit Lehrer*innen gibt es so viele Anlässe für Wut! Fehlen politischer Anerkennung? Check. Schulleitungen, die einfach uncool sind? Check. Eltern, die mitten im Unterricht auftauchen und rumschreien? Seriously?! Check. Die Liste ist lang, und ich bin oft fassungslos. Und wer kriegt die Wut häufig ab? Die Schüler*innen, andere im Umfeld oder du selbst.
Viele Menschen haben keinen gesunden Zugang zu ihrer Wut, und gerade Lehrer*innen sehen oft zuerst die Bedürfnisse anderer. Ihre eigenen schieben sie, vielleicht unbewusst, beiseite. Wut wird dann aus Angst vor Ablehnung oder Konflikten unterdrückt. Diese Unterdrückung führt zu psychischer Belastung und bleibt oft unbemerkt. Denn die Wut bleibt da – vielleicht merkst du es nicht sofort, aber sie zeigt sich an anderer Stelle. Vielleicht bläht sich dein Bauch ständig auf oder dein Nacken ist total verspannt. Die Wut staut sich, das Gefühl selbst nimmst du immer weniger wahr, aber dein Körper meldet sich immer lauter.
Der Körper, die Wut und du: Ein Dampfkochtopf
Wenn du deine Wut nicht rauslässt, bleibt sie regelrecht in deinem Körper stecken. Dein Herz rast, die Muskeln verkrampfen, dein Atem wird kurz. Es ist, als würde sich dein Körper die ganze Zeit auf Flucht oder Kampf vorbereiten, wozu es aber nie kommt. Und das fühlt sich wirklich unschön an und führt zu psychischen und körperlichen Belastungen. Diese psychische Belastung kann sich auf dein allgemeines Wohlbefinden auswirken. Du wirst schneller krank, weil dein Immunsystem gegen den Dauerstress rebelliert. Und deine Wut kommt dann vielleicht plötzlich in geballter Form zum Vorschein und du „explodierst“.
Mein Ausbilder hatte immer den Vergleich von einem Dampfkochtopf, auf den immer mehr Druck kommt. Und irgendwann “Rumsdibums!” – fliegt er in die Luft. Der Körper macht sich bemerkbar, und oft erst dann realisierst du, wie viel Wut du angesammelt hast.
Warum den Körper einbeziehen, um Wut zu lösen?
Wut ist nicht nur eine mentale, sondern auch eine körperliche Erfahrung. Wenn wir Wut unterdrücken, passiert Folgendes:
- Energiespeicherung im Körper: Die aufgestaute Energie manifestiert sich oft in Form von Muskelverspannungen und erhöhtem Stresslevel.
- Körperliche Ausdrucksformen: Durch körperliche Aktivitäten wie Schlagen oder Schreien gibst du dieser Energie einen physischen Ausdruck. Diese Aktivitäten helfen, die körperlichen Symptome der unterdrückten Wut zu lösen.
- Psychischer Stress: Unaussgesprochene Wut erzeugt psychischen Stress, der sich ebenfalls im Körper festsetzt.
- Regulierung des Nervensystems: Physische Aktivitäten stimulieren das sympathische Nervensystem, wodurch die im Körper festgehaltene Energie freigesetzt wird. Dies ermöglicht es dem Nervensystem, sich wieder zu regulieren und in den Normalzustand zurückzukehren.
Anstatt die Wut im Inneren „einzukochen“, bietet es dem Körper eine Möglichkeit, Druck abzulassen – ähnlich wie ein Ventil bei einem Dampfkochtopf.
Wut rauslassen: Sehr befreiend!
Wenn du es nicht gewohnt bist, ist es ultra befreiend, Wut mal richtig rauszulassen! Gerade als Frau ist Wut nach wie vor nicht gerade die Vorzeigeemotion. Und wie gesagt, es geht mir nicht darum, dass du ab heute alle anbrüllst, im Gegenteil. Es geht mir um einen verantwortungsvollen Umgang mit Wut. Wozu gehört, dich um sie zu kümmern.
Ich selbst habe Wut lange Zeit gar nicht gespürt. Sie war einfach nicht mehr in meinem System potentieller Gefühle vorhanden. Aber heute? Ich liebe es, mit Wut zu arbeiten. Und meine Wut wahrzunehmen und rauszulassen. Vielleicht hast du jetzt das Bild im Kopf, wie ich den ganzen Tag mit einem Baseballschläger durch die Gegend laufe. Nein, nein… Aber ich mag an Wut diese ungefilterte Power, die dir sagt, wo du stehst und wohin du willst. Sie gibt dir die Energie, Dinge in Bewegung zu setzen. Wut sagt erstmal nur: „Hier läuft was schief!“ Oder: “Ich finde das falsch!” Und wenn du das als Lehrer*in für dich wahrnimmst und nutzt, wird sie ein richtig guter Kompass, der sagt: “Das will ich!”. Quelle: Vivian Dittmar, Virani Amana: Gefühle & Emotionen – Eine Gebrauchsanweisung. Wie emotionale Intelligenz entsteht.
Wiederaufbau von Selbstwirksamkeit
Wenn man Wut lange Zeit unterdrückt, kann das Gefühl entstehen, nichts bewirken zu können – ein Zustand von Ohnmacht, den viele Lehrer*innen kennen. Körperliche Handlungen vermitteln das Gegenteil: Sie lassen uns spüren, dass wir die Kraft haben, etwas zu verändern. Das Schlagen oder Schreien hilft, diese Energie zu nutzen und in eine positive Richtung zu lenken, was uns das Gefühl gibt, handlungsfähig zu sein.
Wut in geschützten Räumen äußern
Finde heraus, welcher Rahmen und Raum dir hilft, deine Wut wahrzunehmen und zu zeigen. Bei mir war es ein längerer Prozess, überhaupt Zugang zu meiner Wut zu bekommen. Körper- und Gestalttherapie haben mir dabei sehr geholfen. Aber auch Tanzen, Singen und Screaming-Workshops.
Dafür liebe ich auch meinen Proberaum. So ein richtiger Teenie-Proberaum im Keller. Da gehe ich manchmal alleine oder mit Freund*innen zum Schreien, Toben und Singen hin. Danach bin ich immer etwas high. Und immer wenn ich dort bin, denke ich immer: “JEDE*R sollte so einen Raum haben.”
Wohin dann mit der Wut?
Das kannst du nur selbst für dich herausfinden. Was stimmt in der Schule nicht? Was stimmt im Großen nicht? Was auf der mittleren Schulebene? Was in den Beziehungen? Wo möchtest du was, wie äußern? Welche Bedürfnisse stecken hinter der Wut und wie kannst du sie kommunizieren? Auf einer Demo kannst du vielleicht mal erproben, wie es ist, richtig laut zu sein. Mit Schüler*innen kannst du ausprobieren, wie du die Bedürfnisse ganz klar kommunizieren kannst, ohne laut zu werden. Experimentiere damit und gucke, was sich dadurch verändert. Es geht darum, den Zugang zu deiner Wut zurückzugewinnen und sie als Ausdruck deiner eigenen Bedürfnisse zu nutzen. Indem du deine Wut anerkennst, öffnest du die Tür zu neuen Möglichkeiten. Experimentiere mit verschiedenen Ausdrucksformen: Schreie in einem geschützten Raum, tanze oder schlag auf ein Kissen (like nobody’s watching). Versuche vielleicht, den Prozess auch als Spiel zu sehen. Es ist nicht nur befreiend, sondern auch eine Chance, dich selbst besser kennenzulernen und herauszufinden, was dir wirklich wichtig ist.
Psychische Belastung transformieren: Wut erkennen und handeln
Es ist an der Zeit, die Wut, die viele Lehrer*innen in sich tragen, nicht länger zu unterdrücken, sondern als kraftvolle Emotion anzunehmen und für sich zu nutzen. Hier sind sechs Schritte, die dir helfen können, deine Wut bewusst zu erleben und in positive Bahnen zu lenken:
- Wahrnehmung: Achte auf deinen Körper und erkenne, wenn sich Wut anbahnt. Spüre die körperlichen Symptome und höre hin.
- Körperlicher Ausdruck: Gib deiner Wut einen physischen Ausdruck durch Aktivitäten wie Schreien, Schlagen auf Kissen oder Tanzen. Lass die aufgestaute Energie raus.
- Selbstermächtigung: Nutze die Wut, um Klarheit über deine Bedürfnisse zu gewinnen. Frage dich: Was stimmt nicht in meinem Umfeld? Was möchte ich ändern?
- Experimentiere: Probiere verschiedene Ausdrucksformen aus. Finde heraus, was für dich am besten funktioniert – sei es in geschützten Räumen, während des Tanzens oder in der Natur.
- Werde aktiv: Nutze die Energie der Wut, um aktiv zu werden. Setze dir kleine Ziele, die du erreichen möchtest, und arbeite an Veränderungen in deinem Umfeld.
- Suche Unterstützung: Scheue dich nicht, Unterstützung zu suchen. Austausch mit Kolleg*innen, Teilnahme an Workshops oder Therapien können dir helfen, einen gesunden Umgang mit deiner Wut zu finden.
Fazit
Am Ende liegt es an dir, den Zugang zu deinen Emotionen zurückzugewinnen. Wut ist häufig stark negativ konnotiert, weil sie eine krass zerstörerische Kraft ist, wenn der Umgang mit ihr nicht verantwortungsvoll ist. Aber sie hat auch eine sehr positive Seite und kann dein Kompass sein, der dir den Weg zu mehr Selbstermächtigung und Handlungsfähigkeit zeigt. Probier einfach mal aus, deine Wut zu erkunden und sie für deine persönliche und berufliche Entwicklung zu nutzen. Verhinder, dass sie sich in deinem Körper staut – gib ihr Raum und beobachte, wie sich dein Leben verändert! Es ist nicht nur befreiend, sondern auch eine Chance, dich selbst besser kennenzulernen und herauszufinden, was dir wirklich wichtig ist, und so deine psychische Belastung zu reduzieren.
Bereit, deine Wut zu erkunden? Kontaktiere mich für Unterstützung und einen geschützten Raum, um deine Emotionen zu entfalten und deine Selbstermächtigung zu stärken!